Welcher Mensch ist klug? Welcher Mensch handelt klug? Was zeichnet die Klugheit aus? Klug ist jemand, der eine Sache etwas genauer betrachtet. Er ist besonnen und überlegt Entscheidungen gut und weitsichtig. Das ist nicht immer einfach. Die Wirklichkeit ist komplex und es gilt meist viele Aspekte zu berücksichtigen. Dadurch wird es oft schwierig, zu einer klaren Entscheidung zu kommen. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, sondern viele Grautöne, zwischen denen der Mensch abwägen muss. Sich für etwas zu entscheiden, bedeutet in jedem Fall, sich gegen anderes zu entscheiden. Ob eine Entscheidung richtig sein wird, zeigt sich nicht immer sogleich, sondern oft erst in der Zukunft. Wenn ein Christ vor einer Entscheidung steht und abwägen muss, sollte er sich fragen, ob sein Entschluss zerstören oder zum Leben führen will.
Im Buch Amos haben wir heute die Worte des Propheten Amos gehört, der auf dem Marktplatz von Athen jene Menschen anklagt, die ihre Klugheit zum Nachteil der anderen einsetzen. Die Händler fälschen die Gewichte, betrügen ihre Kunden und nehmen selbst die Armen aus. Erkennen Sie den Unterschied zwischen den Menschen, die Amos vorführt, und dem klugen Verwalter im Abschnitt des Lukasevangeliums, den wir heute gehört haben? Die Händler im Buch Amos sind allein auf den eigenen Profit aus. Der Verwalter sieht auf den ersten Blick ebenfalls wie ein Betrüger aus. Schauen wir genauer hin, so wird deutlich, dass es in seinem Herzen keinen Betrug gibt – und das ist am Ende das Entscheidende. Er hat ein offenes Herz für das eigene Leben, für das Leben der anderen und für Gott.
Weil der Herr aufgrund von Hörensagen sein Vertrauen in den Verwalter verloren hat, entzieht er ihm die Verwaltung. Er verzichtet darauf, den Anschuldigungen nachzugehen, unterbindet dadurch auch eine mögliche Entlastung des Verwalters. Das hat zur Folge, dass der Verwalter in existentielle Not gerät und vor der Obdachlosigkeit steht. Er überlegt, was er nun tun soll, und kommt zu dem Schluss, dass er zu schwerer Arbeit nicht taugt und sich schämt zu betteln. Aus seiner Perspektivlosigkeit heraus entsteht bei ihm die Gewissheit, dass er der Hilfe und Unterstützung durch Menschen bedarf. Um sie für sich zu gewinnen und bei ihnen Unterkunft zu erhalten, erlässt er ihnen Teile der Schulden, die sie beim Herrn gemacht haben. Der eine muss nicht die kompletten Liter an Öl zurückzahlen, der andere nicht die volle Anzahl an Getreidesäcken. Der Verwalter erhofft sich, dass auf diese Weise ‚mehr‘ Leben für ihn selbst und für die Schuldner entstehen wird.
Diese Klugheit wird im Evangelium gelobt. Aber wie kann das sein? Der Verwalter entscheidet über ein Vermögen, das ihm selbst nicht gehört. Ist das nicht moralisch verwerflich? Begeht er nicht Betrug gegen den Herrn? Aber warum lobt gerade der Herr die Klugheit dieses Verwalters? In einer scheinbar ausweglosen Situation wird er kreativ und sucht nach Alternativen zur Obdachlosigkeit. Schließlich findet er durch Überlegung einen Ausweg aus seiner Lebenskatastrophe.
Das erinnert mich an die Zeichentrickserie „Wickie und die starken Männer“, die ich während meiner Kinderzeit häufig geschaut habe. Die starken Wikingermänner, mit denen Wickie unterwegs ist, versuchen, jede verzwickte Situation mit Gewalt zu lösen. Obwohl sie die Muskeln und die Kraft dazu hätten, scheitern sie in jedem Fall. Anders der kleine Wickie. Zwar reagiert er bei einem Problem erst einmal mit Angst und beginnt zu zittern. Doch dann reibt er sich an der Nase, überlegt und sucht nach Lösungen. Beim entscheidenden Geistesblitz erscheinen Sterne über seinem Kopf. Die Lösung blitzt auf, Wickie schnipst mit den Fingern und ist voller Energie. Klug, dynamisch und phantasievoll löst er auf diese Weise jedes Problem.
Was wir bei Wickie sehen, könnte auch eine Botschaft aus dem heutigen Evangelium sein. Wenn wir uns selbst einmal in einer scheinbar ausweglosen Situation befinden, werden wir durch solche Geschichten angespornt, nicht aufzugeben, sondern Mut und Vertrauen in die eigene Kreativität zu haben. Statt dass wir uns einfach unserem Schicksal überlassen, sollen wir selbst aktiv werden, Ideen entwickeln und diese in kluger Weise ausführen. Wenn wir dabei oder dadurch Menschen finden, die gerade in der schweren Zeit liebend an unserer Seite stehen möchten, wird uns ein Fundament geschenkt, auf dem sich viele Probleme leichter lösen lassen. Aufgefangen durch die Hände anderer, lässt sich gemeinsam jede Schwierigkeit besser durchstehen und abwenden.
Mir selbst hilft es, auch Gott in mein Herz zu lassen. Ich ziehe mich gern in die Stille zurück und bete oder meditiere. Wenn ich allein bin mit Gott, beispielsweise in der Natur, vor allem vor der Weite des Meeres, klären sich meine Gedanken. Ich lasse Gott wirken. Ähnliches geschieht, wenn ich geistliche Musik höre. Kompositionen von Mendelssohn oder Bach bringen mein Herz und meinen Geist zum Klingen. Den ‚nächsten Schritt‘ sehe ich dann in der Regel mit weiterem Herzen und klareren Augen.
Wenn wir in einer Notsituation sind, empfiehlt es sich, nicht sofort aufzugeben. Es kann einen Weg zum Heil geben – wir Christen glauben das, wir vertrauen darauf. Wenn wir vor einer Entscheidung stehen, sollen wir nachdenken und abwägen. Eine glatte Lösung wird das Leben nicht anbieten. Es kann sein, dass wir – wie der Verwalter – von anderen dabei oberflächlich wahrgenommen und als Betrüger abgestempelt werden. Eine Verurteilung ist leicht ausgesprochen. Wie wir am Beispiel des Verwalters sehen, kommt es Gott aber immer darauf an, was in unserem Herzen geschieht. Er schaut nicht zuerst auf das Gesetz und die Moral, sondern auf die Liebe, weil er selbst die Liebe ist. Ist das, was in unseren Herzen ist, zerstörerisch, oder führt es zum Leben? Wenn das Evangelium von der Klugheit des Verwalters spricht, meint es, dass Liebe in seinem Herzen wohnt.
„Wo Liebe wohnt, da wohnt Gott“, haben wir zu Anfang gesungen.
Es ist der Impuls des Menschen, das Herz für die Liebe zu öffnen. Seien wir klug und begegnen wir dem Leben und den Menschen mit der Liebe, die Gott in uns hineingelegt hat!
Fürbitten:
Herr Jesus Christus, zugewandt hast Du stets mit den Menschen und Deiner ganzen Schöpfung gelebt. Wir rufen zu Dir
– Erfülle uns mit dem Geist Deiner Liebe, wenn wir Entscheidungen treffen und Urteile über uns selbst und andere abgeben
Christus, höre uns!
– Kluges Handeln erfordert Zeit zum Nachdenken. Schenke uns die innere Ruhe und Besonnenheit, wenn wir uns entscheiden müssen oder wollen.
Christus, höre uns!
– Schenke uns gute, ehrliche und einfühlsame Wegbegleiter, die uns zeigen, dass wir im Leben und in den Entscheidungen unseres Lebens nicht allein sind.
Christus, höre uns!
– Kluges Handeln heißt im christlichen Sinn auch, gerecht und barmherzig zu handeln. Jesus Christus, Du hast in dieser Weise gelebt. Mache uns bereit, Dir in dieser Haltung zu folgen.
Christus, höre uns!
Klug und weise bist Du, Herr Jesus Christus, Deinen Weg gegangen. Dafür danken wir Dir, heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.
Kluge Entscheidungen
25. Sonntag im Jahreskreis