Ich beobachte mal, wie wohlhabende Menschen schnell und in aller Eile etwas Kleingeld in das Körbchen des Bittenden fallen ließen, ohne ein Wort zu schenken. Es kam mir fast vor, als wäre es ihnen peinlich gewesen. Andere wendeten bewusst ihren Blick von ihnen, um nicht in ihr Blickfeld zu geraten und dadurch Kontakt aufnehmen zu müssen. Wieder andere gaben dem Bittenden etwas Geld, vermieden aber auch jeden Blickkontakt und gingen weiter ihres Weges.
Vor kurzem beobachtete ich etwas Besonderes. Eine Frau unterhielt sich mit einem Bettler, sie schenkte ihm Zeit, einen liebenden Blick und sie tauschten Worte miteinander aus. Ihre Gesichter leuchteten und es ging ein Gefühl der Wärme von ihnen aus. Nach einiger Zeit ging die Frau und kam kurz danach mit einem heißen Becher Kaffee zurück und legte diesen in die Hände des Armen. Seine Augen glänzten noch mehr, er war berührt von den Gesten und der Tat dieser Frau. Der bittende Mensch, der Arme, fühlte sich angenommen, bejaht, geliebt, er verlor seine Verdrossenheit. Diese Frau war einfühlsam, sie spürte, was in ihrem Gegenüber vor sich ging, wonach er sich sehnte und worunter er litt.
Als ich wieder Zuhause war, habe ich mich erst mal vor meine beiden Adventskerzen gesetzt, um das Erlebte tiefer zu durchdringen. Es war für mich eine Erfahrung tiefen Friedens, den ich nachklingen ließ. Wir alle sind immer auch Bittende, Bettler, wir brauchen Hilfe und Unterstützung und lieben es, wenn wir wertgeschätzt, beschenkt, wahrgenommen und geachtet werden.
In meinem Nachspüren drang eine Erzählung von Rainer Maria Rilke durch meine Seele. Ich habe mich gefreut, dass ich mich an sie erinnerte. Wort für Wort, behutsam und aufmerksam las ich sie. Mit ihnen ging ich in die Nacht und fand einen tiefen, erholsamen Schlaf.
Euer / Ihr