Was bedeutet Ihnen das Fest Christi Himmelfahrt? Wenn jemand Sie in der heutigen säkularisierten Zeit auf der Straße fragen würde, was Sie als Christ heute eigentlich feiern, was würden Sie antworten? Ich las selbst vor kurzem, Christi Himmelfahrt bedeute, dass Jesus sich aus dem Staub gemacht hat. Heißt das, Jesus hatte genug? Hat es ihm gereicht? Musste er weg? Menschlich gesehen wäre das verständlich. Jesus musste sehr viel aushalten. Er hat unendlich viel Liebe vorgelebt und verschenkt und dafür Gegenwehr erfahren. Seine Liebe wurde zurückgedrängt. Die Menschen sind bis heute nicht umgekehrt, sondern immer noch voller Unfriede und Hass, halten fest an Macht und Unterdrückung. Das Böse konnte Jesus mit seiner Liebe nicht überwinden. Ist es daher nicht verständlich, dass er sich aus dem Staub gemacht hat, weil er keine Kraft mehr hatte?

Schauen wir ins Evangelium, erkennen wir, dass Jesus sich nicht aus dem Staub gemacht hat. Er wollte nicht ans Kreuz und mit 33 Jahren sterben. Vielmehr wollte er weiterhin unter den Menschen bleiben und ihnen die Botschaft der Liebe verkünden. Aber die Menschen, vor allem die Mächtigen der Zeit, wollten ihn nicht. Das galt auch für die religiöse Oberschicht, die ihn schließlich zu Pilatus gebracht hat. Ein Wort von Franz Kamphaus kommt mir dabei in den Sinn: „Jesus hat den Staub der Erde geschluckt“. Er hat bis zuletzt alles für die Menschen ausgehalten und er hätte es noch länger ausgehalten, weil er ihnen unermüdlich die Liebe Gottes bringen wollte. Das Leben auf der Erde war ihm immer wichtig.

Am Tag seiner Himmelfahrt nimmt Jesus seine Jünger an die Hand, erinnert an sein Leiden, sein Sterben und an seine Auferstehung. Statt sich aus dem Staub zu machen, bereitet er sie auf den Abschied vor. Er legt ihnen seine letzten Worte ins Herz. Sie sind sein Versprechen, dass er selbst beim Vater im Himmel noch für sie da sein wird. Diese Worte der Liebe schenkt er ihnen als sein Vermächtnis.

Von seinen Jüngern erhofft er sich, dass sie Zeugnis ablegen, dass sie seine Worte mutig und liebevoll verkünden werden. In den Seligpreisungen der Bergpredigt lesen wir: „Selig sind die Armen…“ Das sagt Jesus aber nicht den Armen, sondern seinen Jüngern. Wenn man das griechische Wort für ‚selig‘ ins Hebräische übersetzt, dann wird daraus eine Forderung zur Aktion: ‚Steh auf und tue etwas! Wende dich den Armen zu!‘ Solch einen Auftrag erhalten die Jünger beim Abschied erneut: ‚Hört niemals auf, für die Liebe Zeugnis abzulegen, selbst wenn ihr auf Menschen stoßt, die diese Liebe zurückdrängen‘.

Jesus führt seine Jünger schließlich in die Nähe von Betánien, wo Lazarus, Martha und Maria wohnen und er stets innehalten konnte vor dem Trubel in Jerusalem. Weil er weiß, wie schwer es für sie wird, sich stets mutig für die Liebe einzusetzen, segnet er seine Jünger dort. Dann leben sie nicht nur aus der eigenen Kraft heraus, sondern aus der Kraft, die aus dem Himmel kommt: aus der Geisteskraft. Mit ihr erhofft er sich, dass sie treu ihren Weg gehen werden. ‚Segnen‘ heißt im Lateinischen ‚benedicere‘, also ‚etwas Gutes sagen‘. Er legt etwas Gutes, Segensreiches, Mutmachendes in ihr Herz, weil er weiß, dass Gottes Liebe ihn selbst immer gehalten, gestärkt und getragen hat. Von den Jüngern wünscht er sich, dass sie wiederum ihr Herz öffnen und sich an einer Liebe festmachen, die alles übersteigt. Dieser Segen ist ein Zeichen seiner Treue, durch das er seine Liebe auf die Jünger überträgt. Haben Sie selbst schon einmal gespürt, wie etwas Himmlisches in Ihr Herz hineingekommen ist, wenn Sie gesegnet wurden? Möchten Sie dies nicht auch an Ihre Kinder und Enkel weitergeben, damit sie diese Kraftquelle in sich tragen?

Im 8. Jh. vor Christus lesen wir in Homers „Odyssee“, dass der Mensch nach dem Tod in das Schattenreich fällt. Diese Lehre hatte Einfluss auf das Judentum. So heißt es in den Psalmen, dass die Toten Gott nicht mehr loben. Fast durchgängig hatte man dieses Verständnis vom Tod: nach ihm kommt nichts. Die Jünger leben diese Tradition und haben bislang nur von wenigen Anzeichen für ein ewiges Leben gehört. In der damaligen Zeit klammerte man sich daher solange wie möglich an dieses Leben. Mehr gab es nicht. Wenn Jesus nun, während er sie segnet, nicht ins Schattenreich eingeht, sondern zum Himmel emporgehoben wird, ist dies für seine Jünger etwas ganz Erstaunliches. Weil ihnen dieser Gedanke neu ist, schauen sie hinauf zum Himmel. Im Englischen würde man hier das Wort ‚sky‘ verwenden. Der Himmel Gottes ist aber der ‚heaven‘ und zu ihm wird Jesus emporgehoben. Das erinnert mich an das Lied „Tears in Heaven“ von Eric Clapton. Er singt über seinen Sohn, der beim Sturz aus dem 53. Stockwerk eines Hochhauses zu Tode gekommen ist und zu dem hinauf er nun seine Tränen schickt: zum Himmel des Glaubens. Seine ganze Not legt er in diese Tränen hinein und schickt sie zu Gott. Er weiß, dass dieser Himmel ein Segen und eine Gnade ist und dass es dort keine Tränen mehr geben wird.

Das Wunderbare ist, dass diese Botschaft trotz ihres ungewohnten Charakters bei den Jüngern ankommt. Sie fallen nieder und lassen den Segen Gottes zu. Ihre Herzen steigen zum Himmel empor, so wie auch unsere Herzen zu Gott emporfliegen sollen, wenn das Hochgebet beginnt. Sie öffnen sich für das Göttliche, so wie auch wir uns dann öffnen. Die Jünger sind im Innersten berührt. Jesu Himmelfahrt befreit sie von der Angst, die ihnen der Tod bis dahin gemacht hat. Voller Freude und Zuversicht gehen sie nach Jerusalem, wo sie Gott im Tempel und im Gebet nah sein möchten. Die Botschaft vom Tod hat sich als eine Botschaft vom Leben herausgestellt.

Wenn wir gefragt werden, was Christi Himmelfahrt ist, dann können wir antworten, dass Jesus Christus mit seiner unendlichen Liebe hier auf Erden gewirkt hat. Als seine Lebenszeit zu ihrem Ende kommt, ist nicht alles vorbei. Er hat Menschen beauftragt, in seinem Sinne weiterzuleben und seine Botschaft der Liebe in der Welt zu verkünden. Dafür hat er sie gesegnet. Er selbst ist zum Himmel Gottes emporgehoben worden. Dadurch hat er das Tor des Vaters für uns aufgetan.

Welch ein Geschenk!

 

Jesus hat sich aus dem Staub gemacht

Christi Himmelfahrt

Lk 24,46-53

Euer / Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

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