Die Karwoche lädt dazu ein, das Leben Jesu wachzuhalten und tief in sein Erleben einzutauchen. In dieser Woche verdichtet es sich. Seine letzten Tage in Jerusalem sind vom Gegensatz ‚Freud und Leid‘ geprägt, den wir als Wesensmerkmal menschlich-irdischen Lebens nachempfinden können. Das unendliche Leid, das Jesus am Ende aushalten musste, mitzufühlen, ist eine große Herausforderung, wird aber vom Licht der Hoffnung, das von Ostern her bereits jetzt auf uns einstrahlt, umhüllt. So dürfen wir unser eigenes Leben mit all seinen Höhen und Tiefen mit seinem Leben in Verbindung bringen, unser Herz nach seinem Herzen formen lassen und als hoffnungsvolle Menschen unseren Weg gehen.

Wer schon einmal während der Ostertage in Jerusalem war und auf den Wegen Jesu gegangen ist, der weiß, was für eine innere Dynamik dort herrscht und wie emotional man berührt werden kann, wenn man das Herz für die Geschichte öffnet. Jesus ist nach Jerusalem gezogen, weil er seine Botschaft in die Welt tragen wollte. Jerusalem war die zentrale Stadt in Palästina. Dort pulsierte das Leben. Deshalb war sie der geeignete Ort. Allerdings war sich Jesus der Gefahr bewusst, die dort auf ihn wartete. Er wusste, dass seine Liebe auch auf Widerstand stoßen wird. Das hat ihn während seines Lebens immer wieder getroffen. Man hat ihn in seiner Heimat nicht anerkannt, wollte ihn einen Abhang hinunterstoßen, ihm Fallen stellen, seine Lebensweise zurückdrängen. Nun würde es auf das Ende seines Lebens zugehen – das spürte er.

Am Palmsonntag ist Jesus aber erst einmal mit dem Esel nach Jerusalem hineingeritten und die Menschen haben ihm „Hosianna“ entgegengerufen. Dass hinter dem Eselsritt eine Provokation steckte, erfahren wir, wenn wir in das Buch Sacharja schauen. Dort heißt es: „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen. Er gebietet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und von Eufrat bis an die Enden der Erde.“ (Sach 9,9f) Jesus setzt sich bei seinem Einzug nach Jerusalem auf den Esel, um dieser Ankündigung Realität zu verleihen und als Messias aufzutreten. Allerdings nimmt er nicht die Rolle eines klassischen Königs ein. Er ist der Friedensfürst, der aus der Liebe und der Barmherzigkeit heraus handelt und den Menschen seine Friedensbotschaft anbietet, statt sie gegen ihren Willen durchzusetzen. Sie sind selbst gefordert, diese Botschaft umzusetzen. Jesus ist ihnen mit seinem Leben und Auftreten ein Vorbild. Er ist arm und bescheiden, trägt keine Waffen und scheint wehrlos zu sein. Sein „Machtmittel“ sind Güte und Wahrheit, die nicht auf Zerstörung, sondern auf Versöhnung und Heilung zielen. Er möchte den Menschen ein Wohlgefallen sein.

Diese Menschen erkennen Jesus als Retter und rufen „Hosianna“. Wie kommt es, dass sie kurz darauf „Kreuzigt ihn“ rufen? Wie kann es sein, dass Menschen so schnell ihre Wahrheit verlieren können und sich nicht mehr zu dem bekennen, was sie fest gespürt haben und leben wollten? Das wird an keiner Person so deutlich wie an Petrus.

Petrus war von der Botschaft Jesu überzeugt. In Joh 21 fragt der auferstandene Jesus Petrus drei Mal: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ Petrus antwortet mit Überzeugung: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe“. Es ist dieser Petrus, der Jesus in Lk 22 drei Mal verleugnet. Jesus wurde inzwischen verhaftet und Petrus möchte damit nichts zu tun haben. Warum hat er keinen Mut? Warum bricht seine Haltung zusammen? Warum ist er nicht treu? Petrus hat Angst und fällt daher in seiner Treue um. Er merkt danach selbst, dass er versagt hat, geht hinaus und weint bitterlich. Er versteht sich und seine Schwäche selbst nicht. Sein Versagen tut ihm unendlich leid.

Jesus hingegen ist sich bis zum Ende seines Lebens treu geblieben. Er war ein wahrhaftiger Mensch und zeigt uns dadurch unsere Grenzen auf. Er ist am Kreuz gestorben, weil er wahrhaftig geblieben ist. Hätte er vor den Hohepriestern vorgegeben, nicht Gottes Sohn zu sein, wäre er nicht gekreuzigt worden. Dafür hätte er aber seine eigene Wahrheit aufs Spiel gesetzt und sich verleugnet. Er hätte die Liebe zu Gott, seinem Vater, verraten. Das wäre für ihn viel schlimmer gewesen, als das Leid der Kreuzigung erleben zu müssen. Sicher hatte Jesus auch große Angst, aber die Wahrheit war ihm wichtiger. Die Wahrheit, die er gelebt hat, ist Liebe – Liebe zum Vater und zur ganzen Schöpfung.

Es gibt immer wieder Momente in unserem Leben, in denen uns der Mut zur Wahrheit fehlt. Wir fragen uns danach, was andere sagen würden. Wir haben Angst, dass wir in Schwierigkeiten geraten könnten. Wir lassen uns von anderen Menschen verbiegen. Tiefer einzusteigen in das Leben vermögen wir nur, wenn wir die Angst ablegen. Auf diese Weise können wir zu uns selbst kommen. Das heutige Evangelium möchte uns ermuntern, niemals die Liebe aufzugeben. Es rät uns, niemals aufzuhören, die Wahrheit zu sagen und zu leben. Es möchte uns warnen, einfach der Masse hinterherzulaufen, auch wenn es bequemer wäre. Es möchte uns einladen, unser Leben immer wieder an Gott festzumachen. Er trägt und hält uns. Auch das können wir von Jesus lernen. Als er nämlich bereits völlig kraftlos am Kreuz hängt, sagt er voller Vertrauen: „Vater, in deine Hände lege ich mein Leben“ (Lk 23,46). Er konnte derart wahrhaftig sein, weil er von der Liebe Gottes überzeugt war und wusste, dass er auch das furchtbare Leid und den grausamen Tod bewältigen würde, weil der Vater da sein werde.

Bitten wir Gott darum, dass wir seine Liebe in unserem Herzen spüren können, dass wir für diese Liebe eintreten und an alle Menschen weitergeben, mit denen wir leben. Wann immer wir erleben, dass ein Mensch aus der Liebe herausfällt, dass Menschen die Liebe entzogen wird, müssten wir aufstehen und uns zu der Liebe bekennen, die Jesus in diese Welt gebracht hat.

Über die Wahrhaftigkeit des Menschen

Palmsonntag

Lk 19,28-40; 22,14 – 23,56

Euer / Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

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