„Wie schön leuchtet der Morgenstern“ ist eines der tiefsinnigsten Lieder, die ich kenne. Es wurde 1597 vom lutheranischen Pfarrer Philipp Nicolai geschrieben. In dieser Zeit war die Gesellschaft von der Gegenreformation geprägt, sie kämpfte mit der Pest und lief auf den Dreißigjährigen Krieg zu, der alle bisherigen Gewalterfahrungen sprengen würde. Es ist ein Liebeslied, angelehnt an Psalm 45, der als Hochzeitslied für Jahwe und seiner Gemahlin geschrieben und gebetet wurde. Menschen können die Dunkelheiten des Lebens aushalten, wenn sie gleichzeitig von menschlicher und göttlicher Liebe getragen und gestärkt werden. Es besteht zwar keine Möglichkeit, den Dunkelheiten zu entfliehen, aber auf das Dunkel der Nacht folgt die Hoffnung des Morgens, an dem der Morgenstern leuchten wird. Hier findet sich die tiefe Erfahrung des Menschen wieder, dass am Ende nicht das Dunkel steht, sondern das Licht. Im Dunkel muss er durchhalten. Sein tiefes Vertrauen in den Morgen hält ihn dabei. Wer bei aller Bedrängnis an der Liebe festhält, das Licht des Glaubens und der Hoffnung im Herzen bewahrt, wird den Morgenstern leuchten sehen.
Menschen sind Lichtmenschen. Schauen wir in den dunklen Himmel, so fällt unser Blick unwillkürlich auf die hellen Sterne, die die Dunkelheit durchbrechen. Das Licht zieht unseren Blick an. Ich erinnere mich hier an eine ungewöhnliche Geschichte, in der ein Mann im Advent beobachtet, wie blinde Menschen in einem Raum voller brennender Kerzen das Lied „Ein Licht leuchtet auf in der Dunkelheit“ singen. Der Mann ist erstaunt, dass Menschen, die wortwörtlich in der Dunkelheit und ohne Hoffnung sind, das Licht jemals wiederzusehen, dieses Lied singen. Welches Licht ist hier gemeint? Mit den Augen können sie das Licht nicht sehen, aber mit dem Herzen fühlen sie trotzdem, dass Licht um sie herum ist. Sie können sich dem Licht der Kerze behutsam nähern und die Wärme dieses Lichtes und das Flackern der Flamme spüren. Vielleicht erleben die blinden Menschen in diesem Moment Geborgenheit. Vielleicht erweckt dieses Erlebnis sogar ein Licht in ihrem eigenen Inneren.
Für den gläubigen Menschen ist Jesus Christus der Morgenstern. Er möchte in die Herzen der Menschen hineinleuchten. Er kennt die Dunkelheiten des Lebens, weil er sie selbst erlebt hat. Jesus sagt im Johannesevangelium: „Ich bin das Licht der Welt“. Wir Menschen sind beim Betrachten einer Kerze oder beim Wahrnehmen ihrer Wärme eingeladen, mehr zu spüren, eine tiefere Gewissheit im Herzen zuzulassen. Wir sind eingeladen, die Liebe Christi in unserem Inneren zu spüren. Ich wünsche uns daher, dass wir trotz der Dunkelheiten um uns herum darauf vertrauen, dass das Licht bereits gegenwärtig ist. Jesus wurde vor mehr als 2000 Jahren geboren und nicht an den Weihnachtsfesten, die wir jährlich feiern. Unser Weihnachtsfest bedeutet vielmehr, dass wir die stete Gegenwart Christi feiern. Wir feiern die Gegenwart seines Lichtes und seiner Liebe. Seine Liebe leuchtet in unserer Welt wie der schöne Morgenstern. Mögen wir dieses Licht in unserem Herzen aufnehmen, es groß machen und zum Licht für andere werden!