Worte bestimmen unser Leben. Doch wann tun sie einem Menschen gut? Was macht ein gutes Gespräch aus? Das hängt vor allem davon ab, ob die Gesprächsteilnehmer einander zugeneigt sind. Sie müssen in ihren Positionen nicht übereinstimmen, aber das Klima des Gesprächs ist entscheidend. Oft merkt man es schon im Vorfeld, wenn sich durch fehlende Harmonie Schwierigkeiten ankündigen. Hören wir einander aufmerksam zu? Sind die Redeanteile ausgewogen? Läuft das Gespräch auf gleicher Augenhöhe ab? Ist es ergebnisoffen? Wenn all das gegeben ist, können der Austausch und die Worte zum Leben führen. Natürlich beschreibe ich hier ein Ideal. Von meinen portugiesischen Freunden kenne ich die Redewendung: „Die Worte haben sich verlaufen“. Das ist immer dann der Fall, wenn Worte beim Gegenüber nicht ankommen, wenn sie gar zu Aggressionen und harten Auseinandersetzungen führen.

Im heutigen Evangelium wird deutlich, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott war. Er hat unsere Fragen selbst erfahren und musste problematische Gespräche führen. Es spielte keine Rolle, wo er sich befand, ob in Galiläa oder Jerusalem. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Schriftgelehrten und Tempelpriestern. Jesus fühlte sich besonders dem Tempelpersonal nicht nah und man kam auch nicht zusammen. Je älter er wurde, desto stärker wurde die Entfremdung in seiner Sprache und in seinem Handeln deutlich. Das Tempelpersonal vertrat eine Sprache des Gesetzes. Die Priester waren davon überzeugt zu wissen, wie das Leben abläuft. Dazu müsse man nur in das Gesetz schauen, meinten sie. Die Sprache Jesu war hingegen voller Liebe und sie hat sich in seinen Handlungen niedergeschlagen. Er hat die Worte der Liebe auch gelebt und auf den Menschen angewandt. Sie sollten zum Leben führen und keinen Zwang darstellen. Die Priester des Tempels hingegen haben mit Religion und Glauben Geschäfte gemacht und sich dazu mit den Römern verbündet. Dafür haben sie im Tempel eine eigene Währung eingeführt, mit der sie ihre Macht ausbauen und für den eigenen Wohlstand sorgen konnten. Archäologische Ausgrabungen zeigen, dass sie luxuriöse Wohnungen besaßen – teilweise mit zwei Bädern.

Jesus wusste natürlich davon, dass das Tempelpersonal sich am Glauben der Menschen bereicherte. In ihm wuchs ein Widerstand gegen diese Gier und mit dieser zunehmenden Entfremdung ist er in den Tempel gekommen. Dort hatte man sicher schon von ihm gehört und war auf eine Auseinandersetzung vorbereitet. Dass Jesus schließlich gewalttätig wurde und die Menschen mit einer Peitsche aus dem Tempel trieb, ist aber doch überraschend. Die Wut angesichts des Missbrauchs der heiligen Stätte – der Umwandlung des Tempels in eine Markthalle bzw. in eine Räuberhöhle – muss in ihm unermesslich groß gewesen sein. Seine innere Haltung der Wahrhaftigkeit und Liebe sagte ihm, dass er es nicht mehr aushalten könne, Geld als Seele der Verkündigung zu erleben. Ohne Moos nix los – dagegen musste er angehen. Ein Leben, das für den Anderen gelebt wird, das die Reich-Gottes-Botschaft im Blick hat und allen Menschen diese Botschaft mitteilen möchte, ist mit Verzicht verbunden. Persönlicher Besitz spielt hier keine Rolle.

Jesus ging es in seinem ganzen Leben darum, das Gesetz mit Liebe zu füllen und zu erfüllen. Das ist vergleichbar mit einem Kind, das ein tiefes Urvertrauen hat. Er war angstfrei in seiner Konfrontation, getragen vom Wissen, Gottes geliebtes Kind zu sein. Er konnte den Menschen ins Herz schauen und seine eigene Haltung kam aus dem Herzen. Wo das Gebot der Liebe mit Füßen getreten wurde, um daraus Geld zu machen, waren für ihn auch Worte und Taten der Gerechtigkeit nötig. Gerechtigkeit ist nicht losgelöst von Liebe. Vielmehr erkennt man bei Jesus eine Liebe zur Gerechtigkeit – die natürlich Barmherzigkeit nicht ausschließt. Trotzdem bleibt eine Spannung. Die Worte Jesu wollten zur Liebe führen; bei ihm stand der Dienst für den Mitmenschen im Mittelpunkt. Und doch führte beides auch zu Auseinandersetzung und Trennung.

Wie steht es mit der Sprache in den Kirchen der Gegenwart? Erik Flügge hat ein Buch mit dem Titel „Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“ geschrieben. Die Kirche muss eine Sprache finden, die nicht verschlüsselt, sondern zugänglich ist. Sie darf sich nicht in Floskeln verlieren, sondern muss Worte finden, die berühren. Flügge rät, auf große Rhetorik zu verzichten. Um gut zu predigen, müsse man nur eine Liebe zu den Menschen, die zuhören, entwickeln. Gleichzeitig müssen die Worte wahrhaftig sein, so dass man sie dem Prediger auch abnehmen kann. Eine Freundin wirft daraufhin ein, die kirchlichen Floskeln seien eine Sprache, die in der Tradition verankert sei und auf diesem Weg Halt in unsicheren Zeiten böte. So sei der Mensch niemals hilflos. Ein Beispiel sei der Satz: „Der Herr wird alle deine Wunden heilen“. Das könne man doch immer sagen. „Wie recht sie hat“, erwidert Flügge polemisch. Wenn man genügend Floskeln benutzt, findet man auf jedes Leid und auf jedes Elend eine Antwort. Nur dem Gegenüber hilft das nichts. Aber immerhin steht man selbst nicht sprachlos da.

Worte des Glaubens und der Liturgie müssen überlegt sein und dürfen niemals aufgesetzt wirken. Dann behalten sie eine große Bedeutung. Manchmal empfiehlt es sich, sie leicht zu verändern, um ihre eigentliche Tiefe offenzulegen. Dies wird besonders bei den Worten „sursum corda“ deutlich. Sie sind bereits im 3. Jh. bei Cyprian von Karthago überliefert. In der Messe werden sie normalerweise mit „Erhebet die Herzen“ übersetzt. Stattdessen „Empor die Herzen“ zu sagen, kann gut begründet werden. „Sursum“ ist nämlich keine Verbform, sondern ein Adverb und heißt „aufwärts“ oder eben „empor“. „Erhebet die Herzen“ trägt außerdem eine gewisse Schwere in sich, wohingegen „Empor die Herzen“ Leichtigkeit und Poesie versprüht. Der Schriftsteller Peter Handke nennt es das kürzeste Gedicht-Gebet der Welt. Es ist eine Einladung an die Gläubigen, loszulassen und ihre Herzen innig und leicht zum Himmel aufsteigen zu lassen. „Wie Weihrauch steige mein Gebet vor dir auf“, sagt Psalm 141,2. Glaube ist Liebe. Wir glauben nicht nur mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen und blicken im Gebet zum Himmel, auf Gott, der die Liebe selbst ist.

„Wenn ich alle Sprachen dieser Welt sprechen könnte, und ich könnt sie alle verstehn, wenn ich den Gesang des Paradieses verstünde, sänge, wie die Engel so schön, dann wäre meine Sprache nur Sprachlosigkeit, wie lärmende Pauken, wie Glockengeläut, wie berstende Felsen, wie Glas, das zerbricht, hätte ich die Liebe nicht“, so formuliert es ein Lied von Markus Pytlik.

Haben Sie die Worte „Empor die Herzen“ in der Liturgie eigentlich innerlich erlebt? Wurden Sie berührt? Haben Sie hingehört und über ihre Bedeutung nachgedacht? Oder haben Sie sie nur unreflektiert hingenommen, ohne dass sie in Ihnen ein Zündholz der Liebe waren? Vielleicht ist dies eine Gelegenheit, neu hinzuhören und zu überlegen, ob nicht alle unsere Gebete mit diesen Worten beginnen sollten: „Empor die Herzen!“. Dadurch begibt sich der Mensch in eine innere Haltung, die ihn eintauchen lässt in die Tiefe der göttlichen Wirklichkeit. Sie öffnet das Herz für Gott, für die Liebe Gottes. Vor ihm steht der Mensch dann ganz neu.

Meister Eckhart erklärt im 14. Jh.: „Den Tempel in Jerusalem, den Jesus reinigt, das ist unser Herz“. Möge jeder Gottesdienst Worte haben, die wie Balsam für unsere Seelen sind. Mögen wir bereit sein, unsere Herzen von Jesus reinigen und zum Himmel aufsteigen zu lassen. Mögen wir diesem Geschehen voller Liebe zustimmen und „Amen“ sagen, d.h.: „Das wünsche ich mir von Herzen“.

Euer / Ihr Pastor

Thomas Laufmöller

Worte, die mich berühren

3. Fastensonntag

Joh 2,13-25

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